Erwin Schulhoff

08/06/1894 Prag, 18/08/1942 Wülzburg  

„ – ich lasse alle Posen weg, ihr braucht kein gutes Haar an mir zu lassen. Ich bin Radfahrer mit Passion, ich interessiere mich für schöne Frauen, Tiere zu beobachten ist mir ein Genuß. Ich bin nicht nervös, ich habe den Fehler, Menschen sofort zu durchschauen und bin deswegen nicht sehr beliebt, am wenigsten in der ‚Gesellschaft‘, wo man mich gerne zur Staffage einladen würde, würde man sich trauen und nicht wissen, dass ich meist ablehne […]. In Prag, meiner Heimat, die ich über alles liebe, bin ich der Bestgehasste und ich war es bisher überall, wo ich war,– weil ich mehr konnte wie alle und die Fähigkeit besitze, anderen dadurch zu helfen, da ich Komponisten herausbrachte als Pianist. Da ich aber ein respektabler Pianist bin, hassen mich die Pianistenkollegen und als guter musikalischer Komponist [!] die Kollegen von dieser Seite! Ich habe entschieden ein prächtiges Dasein!“ (Erwin Schulhoff, Tagebuch, 06.06.1927)

Biografie

Stilistisch vielfältig – so kann die Musik von Erwin Schulhoff charakterisiert werden, einer faszinierenden Künstlerpersönlichkeit, die in ihrem umfangreichen Werk sowohl das kulturelle Umfeld der untergehenden österreichisch-ungarischen Monarchie als auch die künstlerischen Strömungen des neuen Europas nach dem Ersten Weltkrieg reflektierte. Spätromantische Tendenzen, Faszination durch den Impressionismus, Hinwendung zum Expressionismus, phantasmagorische Schöpfungen im Dada-Stil, Jazz-Rausch, folkloristische Inspirationen und die stumpfe Seriosität des sozialistischen Realismus: All das findet sich in Schulhoffs Werk.

Das Erwachen aus einem Traum
Erwin Schulhoff wurde am 8. Juni 1894 in Prag geboren. Sein Vater Gustav war Woll- und Baumwollhändler, der während des Ersten Weltkriegs zu einem beträchtlichen Vermögen kam, dieses jedoch während der Hyperinflation in Deutschland schnell darauf wieder verlor. In der Familie Schulhoff waren einige hervorragende Musiker: der Großonkel Julius Schulhoff war Klaviervirtuose und Komponist, der Großvater mütterlicherseits, Heinrich Wolff, Konzertmeister im Orchester des Frankfurter Stadttheaters. Der kleine Erwin schrieb die ersten Melodien am Klavier bereits mit drei Jahren. Als er sieben Jahre alt war, gelang es seiner Mutter dann, Antonín Dvořák auf ihn aufmerksam zu machen und ihn dazu zu bringen, das Talent des jungen Schulhoff zu beurteilen. Nachdem der Meister ihn gehört hatte, belohnte er ihn angeblich mit zwei Stück Schokolade und empfahl ihn an Jindřich Kàan von Albest, Professor am Prager Konservatorium, für ein privates Studium. Bei diesem studierte Schulhoff von 1904–1906. Es folgte eine Ausbildung in Wien und bei Robert Teichmüller in Leipzig. Außer Klavier widmete er sich zudem der Komposition bei Stephan Krehl und Max Reger, dessen Einfluss in seinem Frühwerk bemerkbar ist. Seine Studienjahre vollendete er von 1911–1914 in Köln in den Fächern Komposition, Dirigieren und Klavier bei Carl Friedberg. Für seine hervorragenden Leistungen erhielt er hier auch den renommierten Wüllner-Preis. 1913 folgte der 1. Preis im Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerb in Berlin; den Preis erhielt er wieder 1918 für seine Klaviersonate.

Aus den Aufzeichnungen von Schulhoffs Tagebüchern, von denen er aus Angst vor nationalsozialistischer Verfolgung später viele vernichtet hatte, lässt sich schließen, dass er ein sehr offener, direkter, impulsiver Mensch war, der sensibel auf äußere Anregungen reagierte. Das zeigt sich auch in seinem Schaffen: Als er z. B. 1906 die Prager Erstaufführung von Richard Strauss’ Salome gesehen hatte, scheint dieses Erlebnis für ihn so nachhaltig gewesen zu sein, dass er volle fünf Jahre brauchte, um sich vom Einfluss Strauss’ zu befreien. Ebenso stark war er von der Musik Claude Debussys beeindruckt, bat er den Komponisten gar um Unterricht. Dieser soll dann zwar auch erfolgt sein, war aber scheinbar nicht von langer Dauer, da Debussy von Schulhoff die genaue Befolgung jener Regeln verlangte, die er selbst in seinen eigenen Kompositionen weitgehend ignorierte – zum Missgefallen Schulhoffs. Auf ihn hatten schließlich nicht nur die musikalischen, sondern auch die politischen Ereignisse der Zeit einen großen Einfluss, vor allem der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Als Soldat in der österreichisch-ungarischen Armee erlebte er die Schlachten in Ungarn, Russland und an anderen Fronten, wurde 1916 verwundet und erlitt einen Nervenschock. Diese Erfahrungen führten zu einer Radikalisierung seiner politischen Ansichten, einem stärkeren Engagement in gesellschaftlichen Fragen und vor allem zu einem anderen Zugang zur Kunst. Am 8. Januar 1916 schrieb er in sein Tagebuch: „Der ‚Schrei‘ der Völker, ‚Schutz ihrer Kultur‘ indem Menschen getötet werden, ist für mich qualvoll … die Jahre 1914, 1915, 1916 stehen auf dem niedrigsten menschlichen Niveau und sind geradezu hohnsprechend für das 20te Jahrhundert. Das sage ich, trotzdem ich Soldat bin.“. Ein gutes Beispiel für Schulhoffs Umdenken nach 1918 ist eine von ihm 1919 in Dresden begründete, durch Arnold Schönbergs Wiener Verein für musikalische Privataufführungen inspirierte Konzertreihe. Wie dieser suchte er die Präsentation von Werken der musikalischen Moderne, doch war sein Zyklus im Unterschied zum Wiener Verein darauf gerichtet, die Kunst aktiv am Wiederaufbau der Welt teilnehmen zu lassen und durch sie revolutionäre Ideen zu propagieren. Schulhoff hatte dem Publikum gegenüber keine Vorbehalte, im Gegenteil: Es war für ihn ein aktiver Mitspieler. Damit wandte er sich sowohl gegen den Apolitismus Schönbergs als auch gegen die überwiegend bereits ältere Generation der musikalischen Avantgarde. Der Krieg machte ihn zum politisch engagierten Sozialisten und veranlasste ihn, eine neue Richtung in der Musik einzuschlagen.

Fast am Vorabend des Ersten Weltkriegs vollendete Erwin Schulhoff sein Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 op. 11. Der Krieg wird dann nicht nur sein Weltbild, sondern auch seine Kunstanschauung verändern.

Expressionismus und Dada
Die letzten Kriegsmonate erlebte Schulhoff an der italienischen Front. Nach seiner Rückkehr im Januar 1919 übersiedelte er nach Dresden, wo seine Schwester Viola an der Kunstgewerbeschule studierte. Die Geschwister gehörten zu einem Kreis von unkonventionellen Künstlern wie dem Kapellmeister der Dresdner Oper Hermann Kutzschbach, den Malern Otto Dix, Otto Griebel, Alexander Neroslow und Lasar Segall, dem Musikkritiker und Musikhistoriker Willi Grohman, dem Dichter Theodor Däubler oder dem Musikwissenschaftler und späteren Leiter der Universal Edition, Alfred Schlee. Schulhoff begann, sich der freien Atonalität der so genannten Zweiten Wiener Schule anzunähern und war an den Aktivitäten der Berliner Dadaisten interessiert. Durch Dix lernte er den führenden Repräsentanten der Dada-Bewegung, den Maler und Karikaturisten George Grosz, kennen und nahm an Veranstaltungen der Dadaisten in Dresden teil. Nach seiner Hochzeit mit Alice Libochowitz im August 1921 übersiedelte am Beginn des folgenden Jahres nach Berlin, wo er versuchte, nach dem Vorbild der künstlerischen Provokationen von Grosz und seiner Anhänger ähnliche Veranstaltungen zu organisieren. Er selbst hatte bereits 1919 in seinen Fünf Pittoresken op. 31 für Klavier dadaistische Elemente verwendet und diese dann in Die Wolkenpumpe für Bariton, fünf Bläser und Schlagzeug nach Texten von Hans Arp aus dem Jahre 1922 oder in seiner Bassnachtigall für Kontrafagott Solo aus demselben Jahr weiter entwickelt. Zu diesem Stück gehört auch ein provokanter Begleittext:

„Der göttliche Funken kann wie in einer Leberwurst auch in einem Kontrafagott vorhanden sein.
Lyrischen Freunden und Aestheten daher zugeeignet, – kurz, – allen Zartbesaiteten als ‚ERLEBNIS‘.
Wenn alle anderen in süßen Tönen auf den Geigen schluchzen, dann – merkt euch – tue ich immer das Entgegengesetzte,
um euch aufzupeitschen, ihr kleinen Marionetten, Seelengigerl, hornbrillige Salonintellektualisten, 
ihr, pathologischen Teepflanzen und verwesten Expressionisten. 
Ich bekenne schamlos, aus Dreck geschaffen zu sein und Dreck zu lieben! 
Ihr seid aber schon mit tadellosen Bügelfalten und Tip-Top-Frack geboren – Ihr Existenzen! 
Will ich Distanz zwischen mir und Euch halten,
dann klemme ich mein Monokel fest und ihr habt Respekt vor mir!!!“

Bassnachtigall ist eines der bekanntesten Dada-Werke Schulhoffs. Kann der göttliche Funken wie in einer Leberwurst auch in einem Kontrafagott vorhanden sein?

Die Rückkehr nach Prag und der Jazz-Rausch
George Grosz, der fonografische Aufnahmen amerikanischer Musik sammelte, hatte Schulhoff in die Welt des Ragtimes, der Tanzmusik und des Jazz eingeführt. Findet sich einiges hiervon bereits in seinen Dada-Kompositionen, wird er zu Beginn der 1920er-Jahre dann zu einer wesentlichen Quelle der Inspiration. Von seinen vom Jazz beeinflussten Werken seien Cinq études de jazz (1926), Esquisses de jazz (1927) und Hot-music (1928) für Klavier genannt, die Oper Plameny (Flammen, 1929), die Hot-Sonate (1930) und das fünfteilige Jazz-Oratorium H. M. S. Royal Oaks (1930). Damit hat Schulhoff den Expressionismus Schönbergs zugunsten des Neoklassizismus sowie der slawischen Volksmusik verlassen, was mit seiner Rückkehr nach Prag im Jahre 1923 zusammenhängen dürfte. Durchaus erfolgfreich in dieser Zeit, schloss er einen Vertrag mit der Universal Edition, auch sein Kalender füllte sich mit Konzertterminen. Dennoch gelang es ihm nicht, eine feste Anstellung zu finden, die seine Existenz absichern konnte. Ab 1923 bewarb er sich vergeblich um eine Stelle an der Prager Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst (dem deutschen Äquivalent zum tschechischen Prager Konservatorium). Dank dem Musikhistoriker und -kritiker Erich Steinhard machte er dann jedoch die Bekanntschaft mit dem kulturell äußerst vielseitigen Schriftsteller, Übersetzer, Theater- und Musikrezensenten Max Brod und wurde auf Empfehlung des Musikschriftstellers Otakar Nebuška und Vlastimil Tusars (in den Jahren 1920–1924 tschechoslowakischer Botschafter in Deutschland) 1924 Nachfolger Brods bei der Tageszeitung Prager Presse. Seine Situation in Prag in den 1920er-Jahren illustriert seine Tagebucheintragung vom 6. Juni 1927: „In Prag, meiner Heimat, die ich über alles liebe, bin ich der Bestgehasste und ich war es bisher überall, wo ich war,– weil ich mehr konnte wie alle und die Fähigkeit besitze, anderen dadurch zu helfen, da ich Komponisten herausbrachte als Pianist. Da ich aber ein respektabler Pianist bin, hassen mich die Pianistenkollegen und als guter musikalischer Komponist [!] die Kollegen von dieser Seite! Ich habe entschieden ein prächtiges Dasein!“. Schulhoff schrieb auch für die Zeitschriften Der Auftakt, Musikblätter des Anbruch und Pult und Taktstock. Er bewegte sich nicht nur im deutschsprachigen kulturellen Umfeld, sondern stand auch mit tschechischen Künstlern in Kontakt, z. B. dem Dirigenten Václav Talich, dem Zika-Quartett, mit den Schriftstellern und Dichtern Karel Josef Beneš, Óndra Łysohorský und Vítězslav Nezval.

Trotz aller Schwierigkeiten, eine feste Anstellung zu erlangen, konnte Schulhoff in den 1920er-Jahren eine internationale Karriere als Konzertpianist und Komponist aufbauen. Im Jahre 1927 konzertierte er in Paris und London, 1930 absolvierte er eine Tournee in Deutschland und den Niederlanden, wo er mit dem Concertgebouw Orkest den Klavierpart in seinem Doppelkonzert für Flöte und Klavier spielte. Das Zika-Quartett brachte im Jahre 1924 seine Fünf Stücke für Streichquartett beim Festival der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Salzburg zur Uraufführung, im folgenden Jahr sein Streichquartett Nr. 1 in Venedig, seine Werke erschienen auch in anderen Jahrgängen dieses Festivals. Beim Konkurrenzfestival in Donaueschingen 1924 fand sein Streichsextett, aufgeführt vom Zika-Quartett zusammen mit den Brüdern Paul und Rudolf Hindemith, großen Beifall. Schulhoff war außerdem einer der ersten Pianisten, die das Publikum mit Alois Hábas Werken für Vierteltonklavier bekannt gemacht hatten. Wie viele seiner Zeitgenossen, interessierte sich Schulhoff zudem für neue technische Medien. 1928 nahm er seine vom Jazz inspirierten Werken für die Firma Polydor auf. Zwischen 1930–1935 arbeitete er auch für den tschechoslowakischen Rundfunk. Gemeinsam mit dem Pianisten Oldřich Letfus sendete er halb improvisierte Programme mit populären Werken und Jazzmusik; Schulhoffs Concert pour quatuor à cordes à l’accompagnement d’un orchestre des instruments à vent wurde speziell für den Rundfunk geschrieben.

Eines der vom Jazz inspirierten Werke Schulhoffs ist sein Oratorium H. M. S. Royal Oaks für Sprecher, Jazzsänger (Tenor), gemischten Chor und sinfonisches Jazzorchester aus dem Jahre 1930.

Sozialistischer Realismus
In den 1930er-Jahren begann eine neue Phase in Schulhoffs Schaffen, wie die folgende Tagebucheintragung bezeugt: „Vom Jahre 1931 beginnt meine dritte Schaffensepoche und ich nehme an, dass es auch meine reifste sein dürfte […]. Ich fühle in mir eine unbändige Kraft und diese wächst um so mehr, als sich alle Hindernisse mir in den Weg stellen, die ich glatt überrenne. Die Aussenwelt erlebte ich etwa wie ein Theaterstück, aber in mir erlebe ich eine lichtvolle Welt, an der sich nur die Form ändert. Ich bin in dieser Veränderung vollkommen stabil und bleibe es durchaus. Das beweist meine Arbeit und mein Weg, den ich seit 1931 unbeirrt gehe. Ich weiss es, dass dieser Weg durchaus richtig ist … Ich schreibe heute keine Noten mehr wie vorher, keine zeitgenössische Musik der internationalen Schablone wie einst, keine formalistischen Spielereien oder Klangtändeleien. Meine Musik ist nicht versonnen, sie enthält keine dekadenten Lyrismen und hysterischen Ausbrüche. Sie ist hart geworden, unerbittlich und kompromisslos! Sie steht genau in der Mitte zweier Welten, die einander gegenüberstehen. Die eine Welt ist noch nicht reif und die andere Welt ist vollkommen überaltert. Die noch nicht reife Welt kann meine Musik erst dann absorbieren, wenn sie in ihr Jugendstadium kommen wird und die überalterte Welt zu verjüngen vermag. Es kann möglich sein, dass dies noch eine zeitlang dauern wird, doch ist nicht daran zu zweifeln, dass es zu dieser Verjüngung kommen muss.“ (Tagebuch, am 10.03. 1941).

Wie hat sich Schulhoffs Weg zum linksradikalen Denken entwickelt? Wir wissen, dass er nach dem Ersten Weltkrieg ein überzeugter Sozialist wurde. In Dresden erlebte er das Leben im inflationsgeplagten Nachkriegsdeutschland, verschärft durch die Wirrnisse der Novemberrevolution, die zur Gründung der Weimarer Republik führten. Er war Zeuge des harten Vorgehens gegen die deutsche Linke. Eine wichtige Rolle auf seinem Weg zur Annahme der marxistischen Doktrin spielten seit 1927 auch seine regelmäßigen Auftritte in der Villa „Tereza“ im Prager Bezirk Žižkov, wo die sowjetische Botschaft in der Tschechoslowakei damals ihren Sitz hatte. Dort hatte er Gelegenheit, viele wichtige Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens kennen zu lernen und einflussreiche Freunde zu gewinnen, bei denen er später Unterstützung fand. Eines der prägenden Kunstwerke aus dieser Zeit ist seine Vertonung des Kommunistischen Manifests (1932). Ab 1931 arbeitete er mit linksorientierten Theaterleuten zusammen, was ihm 1933 die Reise nach Moskau zur I. Internationalen Olympiade der revolutionären Theater ermöglichen sollte. Nach seiner Rückkehr aus Sowjetrussland hatte er sich endgültig mit der sowjetischen Doktrin und dem sozialistischen Realismus identifiziert. 

Den Ausweg aus der Bedrohung Europas durch den Nationalsozialismus sah Schulhoff in den 1930er-Jahren in einer starken kommunistischen Orientierung, angelehnt an die Sowjetunion. 1932 vertonte er den Text des Kommunistischen Manifests von Karl Marx und Friedrich Engels.

Ideologisch hatte Schulhoff in diesen Jahren zwar seine Überzeugung gefunden, andererseits war das letzte Jahrzehnt seines Lebens aber von Verlusten sowohl im beruflichen als auch im Privatleben begleitet. Die Universal Edition kündigte 1931 den Vertrag mit ihm, obwohl seine Werke zu den meistverkauften gehörten. Er musste sich nach neuen Einnahmequellen umsehen: Er arrangierte und schrieb unter Pseudonymen Tanzmusik, arbeitete weiter für den Rundfunk und war 1933–1935 Mitglied des Orchesters des ‚Entfesselten Theaters‘. Im Jahre 1935 übersiedelte er nach Ostrau (Ostrava), wo er als Pianist des leichten Genres tätig war, der er als Konzertsolist nach der Ausschaltung jüdischer Künstler in Deutschland eine wesentliche Quelle seiner Einkünfte verloren und auch in seiner Heimat immer weniger Angebote erhalten hatte. Während seines Aufenthaltes in Ostrau komponierte er im Jahre 1936 die Volkslieder und Tänze aus Schlesisch-Teschen für Gesang und Klavier. Diese Sammlung durfte er noch unter seinem Namen veröffentlichen (nach 1939 war er aufgrund der antijüdischen Zwangsmaßnahmen gezwungen, seine Werke anonym oder unter Pseudonymen zu publizieren). Nach der Besetzung der Grenzgebiete der Tschechoslowakei 1938 wurde das Ostrauer Rundfunkorchester nach Brünn verlegt, Schulhoff ging mit. Wie er selbst erwartet hatte, dauerte die Arbeit in Brünn für ihn nicht lange. Unmittelbar nach der Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren wurde er vom Rundfunk entlassen und kehrte nach Prag zurück. In sein Tagebuch schrieb er am 10. März 1941 rückblickend: „Seit dem 18. III. 1939 lebe ich wieder als ‚Frajkumštýř‘ und als solcher kann ich endlich wieder meiner eigenen Arbeit obliegen, in welcher ich mich tatsächlich restlos glücklich fühle und dies trotz aller Schwierigkeiten dieser Zeit.“ 

Kommunist oder Jude?
Als Kommunist jüdischer Abstammung stand Schulhoff zwischen den Stühlen. Zunächst versuchte er erfolglos, in den Westen auszuwandern, sah aber nach der Besetzung der Tschechoslowakei die Flucht in die Sowjetunion als einzigen Ausweg. Er beantragte 1939 noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die sowjetische Staatsbürgerschaft für sich, seine Frau und seinen Sohn. Als er die sowjetische Staatsbürgerschaft dann mit großer Verspätung am 26. April 1941 erhielt, war die Emigration inzwischen unausweichlich geworden. Am 6. Mai suchte er um die Ausreise, am 13. Juni holte er am sowjetischen Konsulat die Visa ab. Der Überfall der Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 machte jedoch alle Pläne und Hoffnungen auf eine Ausreise aus der Republik zunichte – Schulhoff wurde bereits am nächsten Tag verhaftet. Als sowjetischer Staatsbürger wurde er nicht nach Theresienstadt, sondern in das Internierungslager Wülzburg verbracht. Dort starb er am 18. August 1942 an Tuberkulose.

Musikalisches Vermächtnis
Das Schaffen Schulhoffs spiegelt eine Vielfalt von Einflüssen von der Spätromantik über die Neoklassik Strawinskys, den Impressionismus Debussys bis hin zum Expressionismus des frühen Schönberg wider, auch die Musik Smetanas, Dvořáks oder Vítězslav Nováks. Die Inspiration durch den Jazz ist für sein Werk ebenso signifikant, zumal er selbst ein hervorragender Improvisator war. Auch seine Faszination durch Dada und Surrealismus setzt hier an. Ab Anfang der 1930er-Jahre komponierte er, dem linken Denken verpflichtet, dann im Stil des sozialistischen Realismus und tauschte Ironie und Schärfe gegen eine beinahe klassizistische Seriosität ein. Spannend ist zugleich seine durch Folklore inspirierte Musik, mit der er sich zu seiner Heimat bekannt hatte. Man findet in seinem umfangreichen Schaffen schließlich auch Kuriositäten wie die Sonata erotica (1919), eine Tanzgroteske nach Vítězslav Nezvals Die Mondsüchtige, die Hot-Sonate für Altsaxofon und Klavier oder das Kommunistische Manifest. Aber welche seiner Kompositionen, insbesondere die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen, man auch immer in Betracht ziehen mag: Stets hat man es mit einer Musik zu tun, die auf die Ereignisse der Außenwelt reagiert und in deren Mittelpunkt der Zuhörer steht. 

Ein interessantestes Kapitel im Werk Schulhoffs umfasst den Einbezug des Folkloristischen – wie hier im Streichquartett Nr. 1, III. Satz: Allegro giocoso alla Slovacca.

Persönliche Daten

Matka:
Louise Schulhoff, rozená Wolff (1861–1938)
Otec:
Gustav Schulhoff (narozen 23. 9. 1860, úmrtí 1942, Treblinka)
Sourozenci:
Viola Günther, rozená Schulhoff (narozena 11. 3. 1896, úmrtí 1941, Ghetto Łódź/Litzmannstadt)
Heinz Schulhoff (narozen 1901?, úmrtí ?)

Profese / činnosti

Přehled:
klavírista, skladatel, hudební publicista, improvizátor

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