Musik von Erwin Schulhoff (1894–1942)
Text von Karel Josef Beneš (1896–1969)
Rekonstruktion des tschechischen Librettos: Jitka Slavíková
„Schulhoffs Regieanweisungen sind sehr konkret mit ihren Forderungen nach einer alles durchdringenden Dunkelheit, die von erhellenden Licht- und Farbstrahlen unterbrochen wird,“ so schrieb es der Kritiker Michael Eagleton 2006 in seiner Rezension der Aufführung von Erwin Schulhoffs einziger Oper Flammen beim Festival KlangBogen in Wien – und traf damit einen zentralen Punkt: die Ambivalenz von Licht und Dunkel, Abgrund und Erlösung, die sich durch die gesamte Oper zieht. Die ersten Töne der Soloflöte ziehen die Zuhörerinnen und Zuhörer nicht nur in eine Geschichte voller Trugbilder hinein, sondern auch in eine Musik, die wie aus anderen Sphären zu kommen scheint, magisch ist. Der Rubikon der menschlichen Vorstellungskraft ist überschritten – es gibt kein Zurück mehr.
Die in der Version des tschechischen Literaten Karel Josef Beneš nicht der Tradition folgende Geschichte über Don Juan hatte Schulhoff durch den Schriftsteller und Übersetzer Max Brod kennengelernt, der das ursprünglich deutsche Libretto nach der dramatischen Vorlage von Beneš verfasst hatte. In zehn frei konzipierten Szenen führte er den legendären Verführer in verschiedene leidenschaftliche Situationen – von einem Liebesakt in der Kirche oder bei einem Meeressturm bis zur Ekstase während einer Karnevalsnacht, wenn Donna Anna sein Drängen zurückweist mit den Worten: „Auch lebend, Juan, bist du des Todes Ebenbild!“ Don Juan wird jedoch nicht als Vergewaltiger oder sexueller Wüstling, sondern vor allem als ein von ewiger Begierde Getriebener dargestellt. In die Handlung ist die mysteriöse Gestalt des als Frau gedachten Todes (La Morte) verflochten, der einzigen, die ihn wirklich liebt, seinen Versuchungen jedoch nicht nur erfolgreich widersteht, sondern ihn aufgrund ihrer „Aufgabe“ schließlich zum ewigen Leben verurteilt. Die Idee der Oper erinnert an den untrennbaren Dualismus archaischer Prinzipien: die Flamme des Lebens und die Flamme des Todes, die sich nach Verbundenheit sehnen, Mann und Frau, Hoffnung und Resignation. Schulhoff hat diese Gegensätze in einer fantastischen, fast surrealistischen Komposition entfaltet, in der die Elemente der Oper, Pantomime und symphonischen Dichtung einander durchdringen. Bereits im 1. Bild singen die Schatten von Juans Begierden und der Leidenschaft, die La Morte zu ihm verspürt. Zum Klang der Soloflöte tritt Juan in ein verlassenes Haus ein, um drinnen eine weitere Frau zu verführen. Man hört das ekstatische Seufzen…
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Seit den 1990er-Jahren wird die Oper wieder im Musikbetrieb gespielt. Die Produktionen haben sich dabei jedoch auf die deutsche Fassung konzentriert, etwa konzertant 1994 in Berlin (Erstaufführung), dann in Leipzig, Amsterdam, Wien, Los Angeles und Kaiserslautern. Im Rahmen von Musica non grata erklingt erstmals wieder die Version der Uraufführung von 1932. Der Anteil der Autoren an der tschechischen Fassung ist nach den vorhandenen Quellen nicht eindeutig zu klären. Für die Produktion im Rahmen von Musica non grata wurde der Text des tschechischen Librettos von der Dramaturgin der Oper des Nationaltheaters und der Staatsoper, Jitka Slavíková, aus historischen Quellen rekonstruiert.
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