Musik: Alexander Zemlinsky (1871–1942)
Libretto: Leo Feld (1869–1924) nach einer Erzählung von Gottfried Keller (1819–1890)
Die Oper wurde in deutscher Sprache mit tschechischen und englischen Untertiteln aufgeführt.
„Dies ist eine absolut schöne Partitur“, schrieb unlängst ein nicht genannter Kritiker der Zeitschrift Gramophone über die vierte Oper von Alexander Zemlinsky, Kleider machen Leute, diese damit zugleich einfach und genau charakterisierend. Das anmutige Werk an der Grenze zwischen Komödie und Märchen, dessen Libretto Leo Feld nach einer Erzählung des Schweizer Schriftstellers Gottfried Keller aus Die Leute von Seldwyla geschrieben hatte, beginnt in dem Moment, als sich am Hauptplatz des ziemlich langweiligen Provinzstädtchens Goldach – dessen Bewohner stets in Erwartung eines aufregenden Ereignisses leben, das ein wenig Bewegung der großen Welt in ihr beschauliches Biedermeier-Dasein bringen würde –, eine geheimnisvolle, elegante Kutsche mit einem noch geheimnisvolleren, romantisch aussehenden Fremden erscheint. Und ohne dass der gutgekleidete Schneidergeselle Wenzel Strapinski, den der Kutscher aus Rache für das zu geringe Trinkgeld als polnischen Grafen vorstellt, etwas bemerkt, ereignet sich in Goldach Ungeahntes: Die Großen der Stadt umschmeicheln Wenzel, bewirten ihn, bringen ihm Geschenke, Nettchen, die Tochter eines Gemeinderats verliebt sich in den Fremden und Wenzel verlobt sich sogar mit ihr. Nur ihr zurückgewiesener Liebhaber Melchior Böhni zweifelt, bemerkt Umstände, die nicht zusammenpassen und beginnt auf eigene Faust zu forschen …
Wie alle Opern Zemlinskys zeichnet sich auch diese durch die Schönheit und Feinheit der Orchesterfarben aus und nutzt den Raum, der ihr durch die Mehrdeutigkeit von Kellers Erzählung gegeben wird, die zwischen Schein und Wirklichkeit oszilliert. Die Partitur ist ebenso durch die musikalische Transparenz eines Mozart inspiriert wie durch das Geheimnisvolle und Tonmalende der Symphonien Mahlers. Außerdem kommt – wie in jedem richtigen Märchen – genau in dem Moment, in dem alles verloren scheint, ein fröhliches, musikalisch spektakuläres Ende.
Zemlinsky arbeitete an der Oper Kleider machen Leute in den Jahren 1907–1909, in der Zeit, in der ihn sein Freund und Berater Gustav Mahler an die Wiener Hofoper geholt hatte. Im Jahre 1910 hatte er einige Retuschen am Werk unternommen und zum Beispiel aus drei Akten nur zwei gemacht. Die erste Fassung der Oper wurde am 2. Dezember 1910 in Wien an der Volksoper uraufgeführt, an der Zemlinsky als Kapellmeister tätig war, bevor er im Jahre 1911 für 16 Jahre Opernchef des Neuen deutschen Theaters in Prag wurde. Für dieses Theater hatte er zwölf Jahre später die Oper bearbeitet und am 20. April 1922 ihre zweite Fassung uraufgeführt. Die Oper kehrt jetzt an diese Bühne, die heutige Staatsoper Prag, nach 101 Jahren zurück. Die Regie wird die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen führen, über die die Kritik schreibt, sie könne „Musik sichtbar machen“. Die musikalische Leitung hat die litauische Dirigentin Giedrė Šlekytė übernommen, die aktuell mit der Staatsoper Berlin, der Bayerischen Staatsoper und der Semperoper in Dresden zusammenarbeitet. Aus der Letztgenannten wird auch der Darsteller des Wenzel Strapinsky, der amerikanische Tenor Joseph Dennis, kommen, seit 2018 Solist dieser renommierten deutschen Bühne und unter anderem Preisträger der Metropolitan Opera National Council Auditions 2015. Als Nettchen wird die Sopranistin Jana Sibera auftreten, die jüngste Gewinnerin des vom Tschechischen Schauspielverband erteilten Thalia-Preises.
Interview mit der Regisseurin Jetske Mijnssen