Musik von Jaromír Weinberger (1896–1967)
Text von Max Brod (1884–1968) nach einem tschechischen Originallibretto von Miloš Kareš (1891–1944)
Nach dem Stück Der Dudelsackpfeifer von Strakonitz oder Fest der wilden Frauen von Josef Kajetán Tyl (1808–1956)
„Tschechen, Deutsche, die ganze Welt – kommen Sie näher! Es wird nämlich ein Märchen gespielt!“, so lädt der Regisseur Vladimír Morávek zu unserer Premiere der Oper Schwanda, der Dudelsackpfeifer von Jaromír Weinberger nach dem Libretto von Miloš Kareš ein. Und tatsächlich: Die Oper nach dem beliebten Märchenstück Strakonický dudák aneb Hody divých žen (Der Dudelsackpfeifer von Strakonitz oder Das Fest der wilden Frauen) von Josef Kajetán Tyl ist ein Märchen mit allem, was dazu gehört – es ist eine unkomplizierte Geschichte, ausgeprägte Charaktere auf der Seite des Guten und des Bösen und selbstverständlich mit einem glücklichen Schluss. Das alles wird von schönen, eingängigen Melodien getragen, man findet meisterhafte Fugen und ein großartiges Finale „Hier endet die Geschichte“ mit dem Zitat des tschechischen Liedes Na tom našem dvoře (In unserem Hof). Die Handlung Tyls über den Dudelsackpfeifer Schwanda, seine junge Frau Dorotka und seinen verzauberten Dudelsack hat Kareš beibehalten. Er hat es sich aber erlaubt, die historische Person des Räubers Babinsky mit einzuführen, der heimlich nach Dorotka verlangt. Er überzeugt Schwanda von der Eintönigkeit des häuslichen Lebens in der Hütte und führt ihn zur Königin mit einem Herzen aus Eis, die in der Gewalt eines bösen Zauberers ist.
Jaromír Weinberger war nicht der erste, der das Volksmärchen über den Strakonitzer Dudelsackpfeifer vertonte. An die Kantate nach dem Text von Jaroslav Vrchlický und an ihre Bearbeitung als Opera-Ballett von Karel Bendl aus dem Jahre 1907 hat sich zur Zeit der Uraufführung des Schwanda kaum jemand noch erinnert; das Ballett hatte allerdings nur drei Vorstellungen erreicht. Der Dudelsackpfeifer von Strakonitz von Tyl wurde damals am Nationaltheater mit der Musik von Mořic Anger und später Rudolf Zamrzla gespielt; nach der Premiere der Oper Weinbergers hatte noch Jaroslav Křička die Bühnenmusik zu dem Stück geschrieben.
mehr lesen
Schwanda, der Dudelsackpfeifer von Jaromír Weinberger wurde am 27. April 1927 am Nationaltheater Prag in der Einstudierung von Otakar Ostrčil uraufgeführt. Die renommierte Zeitschrift Musikblätter des Anbruch schrieb danach: „Der Erfolg war schon nach der schönen, breit angelegten Ouvertüre entschieden. Ein hinreißender Schwung in diesem raschen Fugato, eine Leuchtkraft der Orchesterfarben, wie man sie schon lange nicht erlebt hat.“. Trotz begeisterter Kritiken wurde die Oper aus unbekannten Gründen nach 14 Aufführungen aus dem Repertoire des Nationaltheaters abgesetzt. Ihr Schicksal hatte sich nach der deutschen Übersetzung des Librettos durch Max Brod jedoch entscheidend geändert. Im Jahre 1928 fand die deutsche Erstaufführung in Breslau/Wrocław statt, ein Jahr danach auch am Neuen deutschen Theater in Prag. Im selben Jahr folgten zudem Aufführungen in Basel, Laibach/Ljubljana, Leipzig und Berlin. An der Staatsoper Unter den Linden hatte Erich Kleiber die Oper mit Theodor Scheidl und Maria Müller in den Hauptrollen einstudiert. Es folgten Budapest, Sofia, Helsinki, Wien … Weinbergers „Sicherheit im Bau der Form des Satzes, diese heute so selten gewordene Sicherheit des Ausdruckes der musikalischen, künstlerischen Absichten haben wohl im Verein mit den Tanz- und Volksliedrhythmen bisher den Erfolg des Werkes bestritten ... Weinberger ist ein Musiker, der viel kann – und wer kann das heute noch? – ein Musiker von Esprit, mit dramatischem Gefühl“, so wurde es unmittelbar nach der Wiener Erstaufführung geschrieben. Im Jahre 1931 führte die Metropolitan Oper in New York den Schwanda erstmals auf, drei Jahre danach die Royal Opera Covent Garden in London. Und im Jahre 1935 landete der tschechische Musikant aus Strakonitz sogar in Buenos Aires.
Die Oper Schwanda, der Dudelsackpfeifer hat buchstäblich die ganze Welt bereist und wurde in 17 Sprachen übersetzt. Das Leben von Jaromír Weinberger hatte, wie in einem Märchen, viele dramatische Peripetien, doch ohne Happy End. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde seine Musik als „unerwünscht“ abgestempelt und der Komponist zur Emigration in die USA gezwungen. Er starb in St. Petersburg in Florida, wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hatte; am 8. August 1967 hat er sein Leben freiwillig beendet. Ein Leben, das von großem Ruhm und großen Enttäuschungen begleitet war.
weniger lesen